English: "Frauen bewerben sich seltener bei Hochlohnfirmen
Zum besseren Verständnis der ersten Stufe des
Einstellungsprozesses analysieren Lochner und
Merkl (2022) das Bewerbungsverhalten bei Fir-
men mit unterschiedlichen betriebsspezifischen
Lohnaufschlägen. Der Lohnaufschlag misst, ob
Betriebe im Durchschnitt mehr oder weniger be-
zahlen als andere Betriebe, wenn Unterschiede in
der Ausbildung, dem Alter und der Zusammenset-
zung der Belegschaft anhand eines statistischen
Verfahrens berücksichtigt werden. Beschäftigte
in einem Betrieb mit hohem betriebsspezifischen
Lohnaufschlag erhalten im Schnitt einen höheren
Lohn als Personen mit der gleichen Qualifikation
in Betrieben mit geringerem betriebsspezifischem
Lohnaufschlag.
Abbildung A1.a sortiert die einstellenden Fir-
men nach ihren Lohnaufschlägen und zeigt deren
korrespondierende geschlechtsspezifische Bewer-
bungsquoten für Vollzeitjobs. Es wird deutlich,
dass sich Frauen mit geringerer Wahrscheinlich-
keit bei den Firmen mit höheren Lohnaufschlägen
bewerben und mit höherer Wahrscheinlichkeit bei
Firmen mit geringeren Lohnaufschlägen. Im ers-
ten Dezil, also bei den 10 Prozent der Firmen mit
den geringsten Lohnaufschlägen, befinden sich
im Mittel rund 55 Prozent Frauen und 45 Prozent
Männer im Bewerbungspool. Bei den 10 Prozent
der Firmen, die am besten bezahlen (10. Dezil),
liegt dagegen der Frauenanteil im Bewerbungspool
im Mittel bei rund 36 Prozent.
Eine mögliche Erklärung für dieses Muster ist,
dass Frauen häufiger als Männer in schlecht ent-
lohnten Berufen und Branchen arbeiten. Es ist je-
doch wichtig zu betonen, dass dieses Muster selbst
dann noch zu beobachten ist, wenn man das Be-
werbungsverhalten von Personen miteinander
vergleicht, die in derselben Branche, demselben
Beruf und in ähnlich großen Betrieben auf Stel-
lensuche sind. Abbildung A1.b zeigt dementspre-
chend die Differenz der geschlechtsspezifischen
Bewerbungsquoten innerhalb bestimmter Berufs-
gruppen, Wirtschaftszweige und Betriebsgrößen.
Es wird deutlich, dass sich in dieser Betrachtung
die Unterschiede stark verringern, vor allem bei
Betrieben mit höheren Lohnaufschlägen. Die Wahl
der Branche, Firmengröße und des Berufes kann
also einen Teil des geschlechtsspezifischen Bewer-
bungsverhalten erklären, wobei die Berufswahl
der dominante Faktor ist. Dennoch bleiben große
Unterschiede bestehen. Vergleicht man die Be-
werbungsquoten beider Geschlechter für gleiche
Zielberufe und Zielbranchen, so zeigt sich ein um
etwa 10 Prozentpunkte höherer Anteil weiblicher
Bewerberinnen bei den Betrieben mit der nied-
rigsten Entlohnung und ein um 7 Prozentpunkte
höherer Anteil von männlichen Bewerbern bei den
Betrieben mit der höchsten Entlohnung."